Sehenswertes

Kirchzarten und der Markenhof: Zwischen Giersberg und Zastlerbach im schönen Dreisamtal gelegen

Ehemals ein übersichtliches Dorf mit altem Dorfkern, befindet Kirchzarten sich schon seit Jahren in einem steten Wandel. Neue Baugebiete werden erschlossen und auch die Gewerbe dehnen sich auf umliegende Felder aus. Im Umland der beliebten Universitätsstadt Freiburg ist das für viele ländliche Gemeinden eine unvermeidbare Entwicklung. Eine wachsende Bevölkerung braucht Raum zum Wohnen und Arbeiten und in Kirchzarten, im schönen Dreisamtal gelegen, zwischen Giersberg und Zastlerbach, lebt es sich gut. Das finden auch die jährlich wiederkehrenden Störche. Manche Vogelpaare fühlen sich so heimisch, dass sie im Winter gar nicht mehr gen Süden fliegen. Störche bringen Glück, das weiß man ja, und wo sie sind, da gibt es nicht nur Kindersegen, sondern auch weniger Mäuse auf dem Feld.
Kirchzarten ist nicht nur ein Vogel- und Sportlerparadies – vor allem die Mountainbiker kommen mit dem neu gebauten Hexenwald-Trail auf ihre Kosten.

Foto: Foto: Tel Aviv Museum of Art
Markenhof Fenster Synagoge
Foto: Tel Aviv Museum of Art

Dreisamtäler Kapellenberg
Auch Kulturinteressierte finden hier Raritäten. Eine Besonderheit ist der sich am Talrand zwischen Stegen und Kirchzarten entlang schlängelnde Dreisamtäler-Kapellenweg. Er führt an hübschen, kleinen Bauernhof-Kapellen vorbei, die meist aus Dankbarkeit vor überstandenem Unheil erbaut wurden. Auf der Strecke lässt sich der Kapellenbesuch verbinden mit Einkäufen in Hofläden, die regionale Spezialitäten anbieten. So kann man gegenüber der schönen Laubishofkapelle direkt beim Bauern, Hähnchen, Hühner und Eier kaufen.
Die Laubishofkapelle ist eine Speicherkapelle, sie lehnt sich an einen kleinen Hang. Von der Straße tritt man direkt in den Gebetsraum ein und kann den holzgeschnitzten Heiligen Georg auf dem Pferd bewundern. Oben befindet sich ein Speicher, der vom Hang aus benutzbar ist. Ein kleines Glockentürmchen, mit einer auch heute noch täglich geläuteten Glocke krönt das Dach. Die Kapelle wurde 1634 vom damaligen Bauern errichtet als Dank für die Errettung vor im Dreißigjährigen Krieg umherziehenden, brandschatzenden und mordenden, schwedischen Soldaten. Ein grimmig aussehender Schwedenkopf aus Sandstein – über der Türe angebracht – weist hin auf die Geschichte. Nicht weit entfernt, über den Bach und den Hügel hinauf, befindet sich ein weiteres, an die vierhundert Jahre altes Kapellchen. Es kann nur von außen betrachtet werden. Der Bauer Matthias Mark, seit 1648 Besitzer des Markenhofs, ließ die Kapelle aus Dank für die Errettung seiner Tochter bauen. Heutzutage ist der Markenhof ein bekannter Obst-Hof. Die umliegenden Apfelbaumplantagen sind im Frühjahr zur Zeit der Obstblüte eine Pracht und der Hofladen lockt mit leckeren Säften, Schnäpsen und vielen Produkten aus eigener Herstellung.

Die Geschichte des Markenhofs

Foto: Foto:Bracha Bentor, Kibbutz Beit Zera Archiv
Markenhof 1920 Foto: Bracha Bentor, Kibbutz Beit Zera Archiv

Der Markenhof birgt jedoch einige Besonderheiten, die ihn von einem „normalen“ Schwarzwaldhof unterscheiden. Auch wenn heute nichts mehr davon zu sehen ist, war das Anwesen unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg ein zionistisches Lehrgut für jüdische Auswanderer. Der Freiburger Draht- und Kabelfabrikant Konrad Goldmann hatte das Gut 1919, kurz nach dem Ende des ersten Weltkriegs gekauft und baute es um für die Bedürfnisse von jungen Menschen, die hier landwirtschaftliches Arbeiten erlernen wollten. Die zionistische Idee war, einen jüdischen Staat in Palästina zu gründen. Die als Eleven bezeichneten Schüler*innen des Markenhofs sollten sich hier auf das gemeinschaftliche Leben und Arbeiten in einem Kibbuz vorbereiten. Konrad Goldmann war von dieser Idee begeistert und finanzierte alles aus eigener Tasche. Auch ein jüdischer Gebetsraum, eine kleine Synagoge, wurde an den Markenhof angebaut. Die Fenster mit der Darstellung der zwölf Stämme Israels ließ er von dem damals namhaften, aus dem oberschwäbischen Laupheim stammenden Künstler Friedrich Adler anfertigen.
1925, nach nur sechs Jahren als Lehrgut, musste Goldmann den Markenhof wieder verkaufen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten in den krisengeschüttelten 20er Jahren zwangen ihn dazu. An die dreihundert Eleven waren im Dreisamtal ausgebildet worden und wandten ihre Kenntnisse an im Kibbuzim südlich des Sees Genezareth.
Konrad Goldmann hatte den Hof an die evangelische Kirche verkauft. Die neuen Eigentümer konnten mit der Synagoge nichts mehr anfangen und überließen ihm die kostbaren Fenster, die er 1931 ausbauen ließ und sie als Geschenk nach Tel Aviv schickte. Heute befinden sie sich im Bestand des Tel Aviv Art Museums. Sowohl Friedrich Adler, als auch Konrad Goldmann wurden Opfer des Holocaust. Beide starben 1942. Der eine im KZ Auschwitz, der andere im Internierungslager von Drancy bei Paris.
Nach langen Jahren des Vergessens wurde Friedrich Adler wiederentdeckt und mit einer 1994 im Münchner Stadtmuseum stattfindenden Ausstellung gefeiert. Auch die einzigartigen Synagogenfenster vom Markenhof wurden gezeigt. Damals fertigte man Kopien der Fenster an. Diese können nun im Museum zur Geschichte von Deutschen und Juden in Laupheim, der Geburtsstadt von Friedrich Adler, besichtigt werden.

Der Markenhof heute
Der Markenhof ist schon seit Generationen wieder in privater Hand, im Inneren ist jedoch vieles kaum verändert. So auch der ehemalige Gebetsraum mit seiner Holzverkleidung, Kassettendecke, hölzernen Säulen und dem Thoraschrein. Er ist schon lange zweckentfremdet und wird heute als Schlafraum genutzt.
Weitere Infos: www.alemannia-judaica.de
——————————————————————
Außerdem interessant für Kulturinteressierte:
Die restaurierte Rainhofscheune mit Buchladen, Ausstellungsraum, Marktscheune und Hotel.
Der seit über 40 Jahren bestehende Kunstverein Kirchzarten, der seine interessanten Ausstellungen im stimmungsvollen Raum der ehemaligen evangelischen Kirche zeigt, die zu klein geworden war für die Gemeinde und so zu sinnvoller Neunutzung umgewidmet wurde.

Christiane Grathwohl

Bildquellen

  • Markenhof Fenster Synagoge: Foto: Tel Aviv Museum of Art
  • Markenhof 1920: Foto:Bracha Bentor, Kibbutz Beit Zera Archiv
  • Kirchzarten vom Giersberg: Foto: Christiane Grathwohl