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Verwunschene Seen und versteckte Wasserfälle

Triberg, Wutach, Mummelsee, Schluchsee, Feldsee, Titisee – an herrlichen Seen, imposanten Schluchten und sprudelnden Wasserfällen mangelt es im Schwarzwald wahrlich nicht. Doch abseits dieser viel besuchten Ausflugsziele liegen einige kaum bekannte, weniger beachtete, aber umso sehenswertere Kleinode, die nur darauf warten, von Individualisten mit offenen Augen entdeckt zu werden. Da musste erst ein Zertifikat her, das den „Wasserfallsteig“ im Südschwarzwald zu einem Premiumwanderweg erhob, und schon siedelte sich der im Jahr 2010 gegründete Streckenwanderweg in den „Top 10“ der schönsten von 180 Premiumwanderwegen in ganz Deutschland an. Was macht den besonderen Reiz dieses Wanderwegs aus, der sich vom Feldbergpass über die Wiesenquelle bis hin nach Todtnau zieht? Es sind in erster Linie die völlig unterschiedlichen Landschaftsformen, die hier aufeinandertreffen. Und in zweiter die bis dahin oft nur schwer erreichbaren, nun aber geschickt miteinander verflochtenen Wasserfälle, die den Weg säumen und zu einem Erlebnis machen. Beginnend an der Wiesenquelle und begleitet vom sanften Gemurmel der Wiese folgt der Wanderer zunächst den Spuren der Poesie, bevor er, angetan von den unsterblichen Worten des Heimatdichters Johann Peter Hebel, angetrieben von der leichten Abschüssigkeit des Wald- und Wiesenpfads, am Fahler Wasserfall innehält. Dieser ist auf einem 2,7 Kilometer langen Rundweg über Brücken und Stege gut erschlossen, selbst hingegen völlig naturbelassen.

Foto: Reinhold Wagner

Ein Stück der Strecke führt nun in sonniger Lage durchs Wiesental, bevor ein Abstecher den wilden Charakter der felsumrahmten Wolfsschlucht offenbart. Hier sprudelt es heftig in der tief eingeschnittenen Schlucht, die kaum Platz lässt für ein nebeneinander Hergehen. Der Todtnauer Wasserfall erschließt sich am Ende der Tour von einer vielleicht dem einen oder anderen noch unbekannten Perspektive aus, bevor es entlang den tosenden Wassermassen steil bergauf zurück in die Zivilisation geht. Zum Schluchtensteig, dessen zentraler Teil durch die weithin bekannte Wutachschlucht führt, sei an dieser Stelle nur erwähnt, dass es sich mehr als lohnt, auch einmal einen Abstecher in eines der weniger besuchten Seitentäler der Wutach zu unternehmen. Entlang des Lotenbachs, des Rötenbachs und der Gauchach taucht der Wanderer ein in tiefste Schluchten, die sich eng am Fels und nah an unberührten Naturwäldern vorbeiwinden. Vom weit überhängenden Moos-Sinterwasserfall, an dem das Wasser nur so tropft und sickert bis hin zum offenen Katarakt, der frei und munter über die breite Felskante rauscht, fi ndet sich hier die gesamte Bandbreite an Wasserfällen und Fließgewässern.

Ähnlich wild und natürlich formten sich die Murg und die Kinzig ihr Bachbett, sodass über nahezu den gesamten Schwarzwald verteilt immer wieder versteckte Wasserfälle zu finden sind, deren Namen kaum bekannt sind. Im südlichen Hotzenwald liegen die Höllbachwasserfälle und der Strahlbrusch. Im Simonswäldertal plätschern die Zweribachwasserfälle über glatt geschliffene Felsstufen. Und im Nordschwarzwald führt ein Abstecher von der Schwarzwaldhochstraße unterhalb des Schliffkopfs zu den Allerheiligen-Wasserfällen, die sich auch Lierbach-Wasserfälle nennen. Ein anderer bei Ottenhöfen führt zu den geheimnisumwobenen Edelfrauengrab- Wasserfällen. Weshalb diese so heißen, rührt von der Legende, die Grotte hinter den Wasserfällen sei einst das Grab einer untreuen Edelfrau geworden, die ihren Rittergemahl während dessen Abwesenheit betrogen hatte. Sieben Kinder sollen aus diesem Fehltritt entstanden sein, welche die Frau aus Angst vor ihrem heimkehrenden Mann ertränken lassen wollte. Doch der Plan schlug fehl, so die Erzählung, denn just in diesem Augenblick kehrte der Ritter von seinem Feldzug zurück und zog die Kinder heimlich auf, um sich sieben Jahre später bei seiner Frau auf grausamste Art zu rächen, indem er sie in die Höhle am Fluss bei lebendigem Leibe einmauern ließ. Aus dieser Höhle ergießen sich heute über einen schmalen Felsdurchlass die besagten Edelfrauengrab- Wasserfälle in einem besonders eindrucksvollen Kalksinterhaufen, der im Laufe der Jahrtausende durch das Ausfällen des im Wasser gelösten Kalks aufgeworfen wurde.

Foto: Reinhold Wagner

Im nahe gelegenen Bühlertal führt ein steiler Aufstieg vorbei an den Gertelsbacher Wasserfällen in aussichtsreiche Höhen. Hoch oben thronen der vordere Wiedenfelsen und der Plättig als markante Erhebungen. Nördlich davon, zwischen der Bühlerhöhe und Baden-Baden, rauschen die Geroldsauer Wasserfälle eindrucksvoll ins Tal. Einen Eindruck wie aus dem Märchenbuch erhält der Besucher, wenn er sich über den Seensteig oder die Murgleiter auf der Gemarkung Schönmünzach im Nordschwarzwald dem tief im Wald versteckten Huzenbachersee nähert. Der über und über mit Seerosen und schwimmenden Inseln bedeckte See steht streng unter Naturschutz. Wenn es irgendwo im Schwarzwald Seejungfrauen, Quellnymphen und Wassernixen oder Wurzelmännchen und Waldgeister gibt, dann ganz bestimmt an einem dieser verwunschenen Seen inmitten des Waldes.

Auch dem fuchsrot getönten Glaswaldsee und dem touristisch sehr gut erschlossenen Mummelsee hängen derartige Legenden an. Und auch der Nonnenmattweiher bei Münstertal im Südschwarzwald wurde für Badende gesperrt, um die wertvollen schwimmenden Inseln mit ihrer Niedermoorvegetation zu erhalten. Keine solchen schwimmenden Inseln, dafür aber das schützenswerte Stachelsporige Brachsenkraut, Isoëtes echinospora, darf in ganz Deutschland allein der Feldsee sein Eigen nennen. Und erhielt dafür ebenso bereits vor einigen Jahren striktes Badeverbot. Doch was sind alle diese Geschichten gegenüber einem See, der mal kommt und geht. Und wenn er einmal da ist, dann nur für kurze Zeit. Dieses ewig währende Schicksal ist dem Eichener See bei Schopfheim beschieden. Da er allein aus unterirdischen Quellen gespeist wird, die über mehrere Jahre hinweg versiegen, zeigt er sich nur alle paar Jahre einmal für wenige Tage, bevor er wieder auf Nimmerwiedersehen verschwindet. So geheimnisvoll wie der See selbst sind auch seine Bewohner. Blattfußkrebse sind es, die in ganz Deutschland nur in diesem einen Gewässer vorkommen, das nur alle paar Jahre für kurze Zeit existiert. Wer hieran Anteil haben will, muss sich gut auskennen im Land der verwunschenen Seen und versteckten Wasserfälle.