Allgemein

Jakobswege die über den Schwarzwald führen.

Der Europäer muss sich seiner noch bewusster werden. Deshalb engagiert sich der Europarat, mit heute 48 Mitgliedsstaaten das größte europäische Gremium, für das Kulturabkommen von 1954, das besagt, jede Vertragspartei pflege die „Kulturgüter, die sich unter ihrer Kontrolle befinden” (Art.1). Im Hinblick darauf wurde das Programm der „Kulturwege” („Itineraires cutturels”) ins Leben gerufen. Es versteht sich als Instrument, um die Europäer für ihr gemeinsames Erbe zu sensibilisieren. Als Kulturgut werden die Kunstschätze, die historische Bausubstanz, und die natürlichen Landschaftsgüter verstanden, aber auch zivilisatorische Werte wie die Menschen rechte. Das „Europäische Institut für Kulturwege”, mit Sitz in Luxemburg, unterstützt den Europarat in diesem Sinne. Themen der Kulturwege sind etwa der Pilgerpfad nach Santiago de Compostela, die Seiden- und Textilstraße, die Straße des Judentums, die Hansestädte und der Einfluss der Klöster auf europäische Entwicklungen. Frankreich und Deutschland betätigen sich hier federführend, u.a. durch ihre Regionalpolitik an gemeinsamen Grenzen, z.B. am Rhein.

Europäische Kulturstraße Heinrich Schickhardt

So wurde 19S9 die deutsch-französische „Heinrich Schickhardt-Kulturstraße” initiiert. Schickhardt (1558-1635) war ein Architekt der Renaissancezeit, gelegentlich auch „der schwäbische Leonardo da Vinci” genannt, da er auch als Erfinder hervortrat. Der nach ihm benannte grenzüberschreitende Kulturweg erinnert an sein Wirken, das von Backnang im östlichen Baden-Württemberg bis Montbeliard (Franche-Comte / Frankreich), ehemals Mömpelgard, reicht. Die Anlage von Freudenstadt, mitten in einer reizenden Schwarzwaldlandschaft, gut als Krönung seines Lebenswerks. Zeugnisse von Schickhardts Wirken finden sich in 17 deutschen und französischen Städten, die im Rahmen eines zweisprachigen Projekts kooperieren (www.heinrich-schickhardt-kulturstrasse.de). Schickhardt war Baumeister unter Herzog Friedrich I. von Württemberg und hinterließ als Ingenieur und Literat viele Zeugnisse. In den letzten Lebensjahren verfasste er das „Inventarium”, eine wichtige Quelle der Renaissancekultur. Im Zuge seines Lebens hat er etwa 50 Schlösser und Herrensitze umgestaltet oder neu erbauen lassen.

Auch entwarf er Maschinen, hydraulische Anlagen wie Pumpen und Brunnen, skizzierte die Schiffbarmachung des Neckars und die Errichtung eines Steinkohlebergwerks im Stuttgarter Kriegsberg. Zu seinen bekanntesten Entwürfen gehört der mühlespielähnliche Grundriss Freudenstadts. Auf den ist man vor Ort mächtig stolz, bis heute: „Deutschlands größter umbauter Marktplatz (…) mit wunderschönen Arkadengängen, Brunnen und einer 45 x 18 m großen, rechteckigen Ebene, auf der 50 steuerbare Fontänen sprudeln”. Auch ein anderes Wahrzeichen der Stadt, die „architektonisch ungewöhnliche, winkelhakenförmige” Stadtkirche, entstammt Schickhardts Konzept. Im elsässischen Riquewihr ließen sich wohlhabende Leute ihre Häuser von Heinrich Schickhardt bauen, und er prägte Stuttgarts historische Innenstadt. Montbeliard wurde dank dieses Architekten gar revolutionär umgewandelt, von einer mittelalterlichen Anstedlung in eine Renaissance-Stadt. In Horbourg-Wihr. nahe Colmar. geht eine bemerkenswerte Kirche auf ihn zurück. Ob nun in Tübingen oder in Schickhardts Geburtsstadt Herrenberg, der Baumeister prägte viele Orte zwischen Vogesen und Schwarzwald. 1650 ließ er die badische Stadt Oppenau im Renchtal die nach einem Brand zerstört war, wieder aufbauen. Das damals angelegte Stadtbild blieb prägend.

In Sulz am Neckar initiierte Schickhardt ein Projekt für kostengünstige Salzgewinnung. Bei der Beschäftigung mit ihm begegnet man im Übrigen wiederholt den „Salzstraßen”, Handelswegen, die seit frühgeschichtlicher Zeit quer durch Europa führten. Die Städte Altensteig, Backnang, Esslingen am Neckar, Herrenberg, Schiltach, Oppenau und Freudenstadt sind nicht nur in Bezug auf Heinrich Schickhardt relevant, sie zählen auch zur „Deutschen Fachwerkstraße” (www.deutsche-fachwerkstrasse.de). Und manche dieser Städte sind nicht nur durch Schickhardt und Fachwerk verbunden, auch der „Jakobsweg”, mitunter „Jakobusweg” genannt, tut sich in ihrer Nähe auf, und der wiederum kreuzt die „Europäische Barock Straße”.

Die Jakobuskapelle auf dem Bergle ist ein
Wahrzeichen Gengenbachs und Wallfahrtsort für Pilger auf dem Jabobusweg

Europaweite Jakobswege

Die erste Kulturslraße, die der Europarat 1987 ausrief, war der „Jakobsweg”. Ziel war, den historischen Pilgergedanken wiederzubeleben, der auf dem „Jakobusbuch („Liber Sancti Jacobi”) beruht. Das Buch aus dem 12. Jahrhundert enthält einen Pilgerführer, der für den französischen Raum vier Wege nennt, von denen einer aus dem Elsass kommt. Und dorthin führt wiederum ein Zubringer (Neckar- Baar-Jakobusweg) über den Schwarzwald, der von Rottenburg am Neckar bis nach Thann (Elsass) verläuft, 224 Kilometer weit. Die gesamte Strecke (2500 km), ausgerichtet auf den Wallfahrtsort Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens, säumen historische Jakobusdarstellungen, die eine alte Pilgertradition bezeugen. Ein Teilstück (120 km) fuhrt durch das bezaubernde Kinzigtal, zum Kloster Alpirsbach und zu den Jakobskapellen in Wolfach und Gengenbach. Durch das Kirnbach- und Gutachtal, Herkunftsorte des Bollenhutes, wandert man über Ausläufer der Schwarzwald höhen zum Landwassereck; dann das Elzta! abwärts über Waldkirch und Denzlingen nach Freiburg. Die Jakobuskapelle in Oberrimsingen ist der letzte Ort vor dem Rhein. Auch über Breisach erreicht der geneigte Pilger den französischen Jakobsweg, in Notre Dame de Schauenberg, Direkt nach Thann führt eine andere Variante; geht man über die Brücke bei Kessenheim, trifft man auf den von Straßburg kommenden Jakobsweg, der an den Vogesen entlang {Wallfahrtsorte sind etwa Mont Saint Odile und Les Trois Epis) in Richtung Belfort und nach Burgund führt. Ein anderer Abschnitt der Pilgerwege, die sich zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb spannen, führt 37 Kilometer über den Hochschwarzwald; sein Verlauf entspricht der alten Handelsstraße von Villingen nach Freiburg über Wagensteig. Alle regionalen Stationen sind mit dem Symbol der Jakobsmuschel beschildert und so in das europäische Wegenetz eingebunden. Die Routen des Jakobsweges entwickelten sich seit dem 11. Jahrhundert und werden heute ständig verbessert; man arbeitet auch an Listen günstiger Unterkünfte für den Langzeitpilger, der schließlich nicht im Luxushotel absteigt.

Die Kulturwege, für die das Europäische Institut für Kulturwege (EICR) zentral zuständig ist, werfen einen frischen Blick auf Europa; ein geographischer Atlas ist in Vorbereitung. Zu den jüngsten Projekten gehört die Wiederbelebung des Pilgerwegs von Canterbury nach Rom, die „Via Francigena”; die „Frankenstraße” umfasst mittelalterliche Pilgerwege, die von Franken nach Rom führten – zur Grabstätte der Apostel Petrus und Paulus; Erzbischof Siegerich von Canterbury hat das 994 beschrieben. Führen alle Wege nach Rom? Malerisch tun sich dazwischen jedenfalls Vogesen und Schwarzwald auf, der Kaiserstuhl, verschiedene Weinstraßen, die Rheinauen und das elsässische Ried – mit einer faszinierenden Flora und Fauna. Europa ist alt und wir müssen es noch begreifen. Mal kurz weg? On y va? Auf los geht’s los- mitten in die Gegenwart des kulturellen Erbes!

www.pilger-weg.de
www.heinrich-schickhardt-kulturstrasse.de
www.schwarzwald-tourismus.de